GEO Magazin Nr. 07/04 - Durch die wilden Schluchten der Sahara Seite 1 von 1
Artikel vom 8.6.2004

Geowissenschaften: Diamanten im Erzgebirge

Ein einzigartiger geologischer Fund in Sachsen beweist: Die Erdkruste muss dort einst besonders dick gewesen sein


Ein Vermögen wert sind die Edelsteine nicht, die der Geowissenschaftler Hans-Joachim Massonne von der Universität Stuttgart im sächsischen Erzgebirge an der Saidenbachtalsperre entdeckt hat. Die Mikrodiamanten, eingeschlossen im Mineral Granat in einem gewöhnlichen Gneis, sind nur 0,005 bis 0,05 Millimeter groß und wirtschaftlich ohne Bedeutung. Für die Wissenschaft hingegen ist dieser erste Fund in Deutschland und Mitteleuropa eine geologische Sensation.

Diamanten bestehen aus reinem Kohlenstoff und sind aufgrund der besonderen Bedingungen, unter denen sie entstanden sind, sehr selten. Sie bilden sich unter einem enormen Druck von mindes-tens 40000 Atmosphären, wie er im Erdinnern in etwa 130 Kilometer Tiefe herrscht. Meist werden sie durch explosiven Vulkanismus (Kimberlit-Pipes) mit Gesteinsschmelzen aus 200 bis 600 Kilometer Tiefe an die Erdoberfläche transportiert.

Im Erzgebirge stammen die Edelsteinsplitter hingegen aus Erdkrustengesteinen, die sich einst mindestens 130 Kilometer tief in den Erdmantel gesenkt hatten, so genannten Ultrahochdruckmetamorphiten (heute ist die Erdkruste unter den Kontinenten nur 30 bis 70 Kilometer mächtig). Diese "Subduktion" von Gesteinen in große Tiefen resultierte aus der Kollision alter Kontinente. Im Bereich der "Knautschzone" wurde ein Teil der Erdkruste nach unten gezogen, an der Oberfläche der Erde entstanden Gebirge.

Da die kontinentale Erdkrus-te spezifisch viel leichter ist als der Erdmantel, auf dem sie schwimmt, erfuhr sie einen Auftrieb - wie Holz, das man unter Wasser zieht und dann loslässt. Der Wiederaufstieg erfolgte als "plastisches Fließen". Die Gesteine verhalten sich dabei in der Tiefe unter hohen Temperaturen ähnlich wie Kaugummi.

Zudem müssen die Gesteine mit den Mikrodiamanten relativ schnell - um mehrere Zentimeter pro Jahr - aufgestiegen sein. Wäre das Material langsamer nach oben gelangt, wären die edlen Steine zu Graphit zerfallen - aus reinem Kohlenstoff wie Diamanten, aber weich und vergleichsweise wertlos. Die "sächsischen Juwelen" belegen eindeutig, dass das Gebiet unter dem heutigen Erzgebirge vor 340 Millionen Jahren teils in ungeahnte Tiefen reichte.

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